Verein(t) für eine Vision: Bau eines Hospizes im Kinzigtal
Am 19. Februar 2014 ist in Gelnhausen der Förderkreis Hospiz Kinzigtal e.V. mit der Wahl eines vierköpfigen Vorstands, mit der Berufung von neun Beiräten und der Verabschiedung einer Satzung offiziell gegründet worden.
Zum Vorsitzenden wurde der Journalist Rolf Heggen aus Linsengericht-Großenhausen gewählt, zur stellvertretenden Vorsitzenden Stefanie Ross aus Gelnhausen, zur Schatzmeisterin die Steuerberaterin Hannelore Koperski aus Gelnhausen und zur Schriftführerin Antje Kornhuber, Inhaberin einer Internet-Agentur in Linsengericht-Lützelhausen. Beiräte mit ganz unterschiedlichen beruflichen Kompetenzen wurden vom Vorstand berufen: Elfriede Seipp, Olga von Lilienfeld-Toal, Ina Löber, Monika Dietz-Geis, Eugen Glöckner, Claudia Walter, Edith Christ und Dr. Gabriela Robotka-Rau.
MdB Bettina Müller im Beirat des Förderkreises Hospiz Kinzigtal: „Initiative von unschätzbarem Wert“
Auch Bettina Müller, Mitglied des Deutschen Bundestages, die in einer offiziellen Pressemitteilung ihren Beitritt erklärt hatte, wurde in den Beirat des Förderkreises Hospiz Kinzigtal e.V. berufen. „Wir können in Berlin noch so viel über Sterbebegleitung reden, dem Thema werden wir dort niemals völlig gerecht. Initiativen wie diese sind für die Schwerkranken und ihre Angehörigen von unschätzbarem Wert“, betont Bettina Müller, die für ihre Bundestagsfraktion unter anderem für die Themen Hospiz und Palliativmedizin zuständig ist. Die ausgebildete Krankenschwester und Juristin zeigte sich in einem Treffen mit den vier Initiatorinnen sowie der Pflegepädagogin Ina Löber und Rolf Heggen spontan begeistert von dem Engagement: „Manche Debatte zur Sterbehilfe müssten wir nicht führen, wenn es genügend Palliativstationen oder Hospize gäbe. Es geht doch darum, die Betroffenen nicht alleine zu lassen, ihnen die Sorge zu nehmen zur Last zu fallen, oder schlichtweg die Schmerzen zu lindern. Bettina Müller möchte helfen, das passende Konzept für ein Hospiz im Kinzigtal zu finden.
Engagement für ein Sterben in Würde
Am 4. Februar waren mit einer Versammlung in der Stadthalle Gelnhausen die Weichen für die Gründung des Förderkreises Hospiz Kinzigtal e.V. gestellt worden. „Verein(t) für eine Vision“ überschrieb die Gelnhäuser Neue Zeitung (GNZ) ihren ausführlichen Bericht über diese Veranstaltung und traf damit genau die Absicht der Gründungsmitglieder, nämlich die Vision eines Hospizes im Kinzigtal. „Engagiert für ein Sterben in Würde“ lautete der Titel des Kommentars im Gelnhäuser Tageblatt (GT). Auch dies trifft den Kern der Arbeit im jüngsten deutschen Förderkreis zum Aufbau eines Hospizes.
Es begann im Februar 2013, als Elfriede Seipp (89) und Stefanie Ross (78), beide schon lange politisch und gemeinnützig aktiv, spontan den Entschluss fassten, sich gemeinsam des Themas „Hospiz im Altkreis Gelnhausen“ anzunehmen. Es folgten die frühere Pastorin Olga von Lilienfeld-Toal (72) und die Steuerberaterin Hannelore Koperski (78). Jetzt war das "Kleeblatt" für die Hospizinitiative komplett.
In vielen Treffen und Gesprächen mit Fachkundigen und Besuchen in verschiedenen Hospizen machten sich die Frauen mit der Materie vertraut, und als Ende September die Vorbereitungen für die erste öffentliche Veranstaltung unter ihrer Leitung begannen, zeigte sich, dass sie getragen wurden von einer Welle der Zustimmung und Unterstützung. Ein Baustein fügte sich zum anderen und die regionale Presse veröffentlichte wochenlang sehr persönliche Berichte über Hospizerfahrungen, die Bekannte und Freunde den Frauen zur Verfügung gestellt hatten.
Die Initiatorinnen des Förderkreises Hospiz Kinzigtal: Olga von Lilienfeld-Toal, Elfriede Seipp, Hannelore Koperski und Stefanie Ross
(Foto Pfahls/GNZ)
Wenn die Blätter fallen – am Ende des Lebens nicht allein
„Unser Ziel ist es, außerhalb eines Krankenhauses einen Raum zu schaffen, in dem Schwerstkranke und Sterbende ohne Angst vor unerträglichen Schmerzen oder künstlicher Verlängerung des Lebens gut versorgt ihren letzten Abschnitt gestalten können“, betonte Elfriede Seipp. Das Motto der Initiative: „Am Ende nicht allein.“
Mit einer Podiumsdiskussion fachkundiger Referenten zum Thema Hospizbewegung und Palliativmedizin hatten sich die vier Initiatorinnen am 19. November 2013 erstmals an die Öffentlichkeit gewagt. Rund 150 interessierte Menschen aus der ganzen Region kamen in die Stadthalle Gelnhausen, unter ihnen auch der Journalist Rolf Heggen, der – von den Beiträgen der vier Frauen und der Referenten tief beeindruckt - spontan seine Erfahrungen und seine Zeit zur Verfügung stellte, um als erster Vorsitzender die geschäftlichen Angelegenheiten des Förderkreises zu führen. Als „glücksbringendes Kleeblatt“ werden die vier Initiatorinnen in engem Kontakt mit dem Vorstand und den Beiräten weiterhin das „Gesicht und das Herz“ des Förderkreises bleiben und sich dafür einsetzen, dass aus der Vision eines Hospizes im Kinzigtal möglichst rasch Realität wird.
Die Diskussionsbeiträge von Prof. Dr. Holger Kaesemann (Hospiz- und Palliativverband Hessen), Helga Vaeth (Ambulante Hospizbetreuung „Lichtbogen“ Wächtersbach), Annette Böhmer (Arbeitsgemeinschaft Hospiz Hanau), Monika Dietz-Geis (Palliativschwester und Vorsitzende des Ethik-Komitees der Main-Kinzig-Kliniken) und Dr. Dietmar Schultheis (Haus- und Palliativarzt in Birstein) sorgten für einen regen Gedankenaustausch mit den Besuchern der Auftaktveranstaltung am 19. November 2013 in der Gelnhäuser Stadthalle. Und es wurde ganz deutlich, dass die „Versorgungslücke stationärer Hospizbetreuung“ zwischen den bestehenden Hospizen in Hanau und Fulda so schnell wie möglich geschlossen werden sollte.
Die Suche nach einer Immobilie und einem Träger
Prof. Kaesemann schilderte, welche Schritte auf dem Weg zu einem Hospiz im Kinzigtal nun gemacht werden müssten: „Sie brauchen eine Immobilie, Sie müssen sich einen Träger – beispielsweise ein Krankenhaus oder Wohlfahrtsverbände wie die Diakonie oder die Caritas – suchen, und Sie müssen einen Förderverein gründen, um Spendengelder zu akquirieren.“ (Diese Voraussetzung wurde rund zehn Wochen später erfüllt. „Einen großen Schritt weiter“, titelte das GT, „In vielen kleinen Schritten zum großen Ziel“, schrieb die GNZ.)
Kaesemann nannte auch Zahlen für den Aufbau eines Hospizes: Spenden und Beiträge in Höhe von 80.000 Euro im Jahr seien vonnöten, um ein solches Projekt auf die Beine stellen zu können, zudem müssten zwischen acht und zwölf Plätze vorgehalten werden, um wirtschaftlich arbeiten zu können. Die Kosten für die Patienten – im Hospiz grundsätzlich „Gäste“ genannt – würden zu 90 Prozent von den Krankenkassen übernommen; ein entsprechender Rechtsanspruch bestehe seit 2007.
„Sie können sich nicht vorstellen, was Sie von diesen Menschen zurückbekommen“
Auch die Bevölkerung müsse im Hinblick auf den notwendigen Aufbau eines Hospizes im Kinzigtal aktiv werden und den Druck auf die Politik erhöhen, betonte Kaesemann, wie die GNZ unter anderem berichtete: „Der eigentliche Skandal ist, dass bislang so getan wird, als könnten weite Teile des östlichen Main-Kinzig-Kreises von Hanau aus palliativmedizinisch mitversorgt werden.“ Das sei aber nicht der Fall. Besonders große Engpässe gebe es zwischen Wächtersbach und Schlüchtern. Kaesemann warb auch um ehrenamtliche Hospizbegleiter: „Sie können sich nicht vorstellen, was Sie von diesen Menschen zurückbekommen.“